Eine Gewinnerin und ein Verlierer
Eine Frau wird Japans neue Olympia-Organisationschefin. Über eine Wahl, bei der es um sehr viel mehr ging als eine bloße Personalie.
Es ist eine Frau. Seiko Hashimoto wird Japans neue Olympia-Organisationschefin, nachdem ihr Vorgänger wegen sexistischer Äußerungen zurückgetreten war. Kaum ein Thema - außer vielleicht Corona - hat in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen gefüllt wie dieses. Es ging dabei um mehr als eine bloße Personalie. Und es ging um mehr als eine einzige sexistische Aussage. Es ging um die Frage, in welche Richtung sich Japan beim Thema Gleichberechtigung bewegt: Stillstand oder Fortschritt?
Die 56-jährige Seiko Hashimoto steht in vielerlei Hinsicht für Fortschritt. Und es dürfte nicht viele Kandidaten geben, deren Leben so eng mit den Olympischen Spielen verknüpft ist. Hashimoto wurde 1964 in Hokkaido geboren - Japans nördlichster Insel - fünf Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio. Ihr Vorname Seiko ist ist eine Ableitung von “Seika”, dem japanischen Wort für das Olympische Feuer. Ihr Vater habe gehofft, sie würde eines Tages als Athletin an den Spielen teilnehmen, heißt es. Sein Wunsch ging in Erfüllung - sieben Mal nahm Hashimoto an den Olympischen Spiele teil, im Eisschnelllauf und Bahnradrennen. 1992 gewann sie als eine der ersten Japanerinnen überhaupt eine Medaille bei den Olympischen Winterspielen.
Nicht nur beim Sport war Hashimoto Vorreiterin. Sie trat in die Regierungspartei LDP ein und war dort unter anderem für die Bereiche Sport und Geschlechtergleichstellung zuständig. Sie bekam während ihrer Amtszeit ein Kind und bewirkte damit eine Gesetzänderung, die es Parlamentsmitgliedern ermöglicht, im Falle einer Geburt Sonderurlaub zu nehmen. Etwas, was im männlich dominierten Parlament bis dahin kaum ein Thema war.
2014 warf ein Magazin Hashimoto sexuelle Belästigung vor und zeigte als angeblichen Beweis Fotos, auf denen sie den japanischen Eiskunstläufer Daisuke Takahashi küsst. Doch der dementierte schnell: Alles Blödsinn.
Herz einer Fliege, Gehirn eines Hais
Kritiker werfen Hashimoto vor, eine Marionette ihres Vorgängers und politischen Ziehvaters Yoshiro Mori zu sein. Der heute 83-jährige Mori war bis zu seinem Rücktritt nicht nur Olympia-Organisationschef, sondern einst auch Premierminister Japans - wenn auch kein besonders angesehener. Im Gegenteil bis. Bis heute haftet ihm der Ruf als einer der unbeliebtesten Premierminister des Landes an - und als einer, der “das Herz einer Fliege und das Gehirn eines Hais” habe. Einst forderte er, dass Frauen, die keine Kinder haben, auch keine Sozialleistungen bekommen sollten. Viele Japaner dürften daher wenig überrascht gewesen sein, als Mori vor zwei Wochen in einem Meeting äußerte, Frauen würden zu viel reden und die Sitzungen sich dadurch in die Länge ziehen. Mori entschuldigte sich zwar später, doch die Kritik an ihm ebbte nicht ab. Eine Petition für seinen Rücktritt wurde gestartet, zahlreiche der freiwilligen Helfer für die Olympischen Spiele kündigten ihre Teilnahme.
Mori ist bei weitem nicht der erste Politiker in Japan, der sich sexistisch äußert. Doch bisher musste man(n) dafür auch kaum Konsequenzen befürchten. In der Vergangenheit wäre er nur kritisiert worden und dann wäre das Thema beendet gewesen, sagte die bekannte Unternehmerin und Buchautorin Kazuyo Katsuma der New York Times. Doch er habe zurücktreten müssen, weil Frauen ihre Stimme erhoben haben.
Natürlich ist mit dem Rücktritt Moris der Sexismus in Japan nicht beendet. Doch für viele war er ein Symbol für das alte, konservative, männlich-geprägte Japan, das Frauen nicht die gleichen Rechte und Chancen ermöglicht. Die Hoffnung ist nicht, dass Männer wie Mori sich ändern. Dass der nach seinem Rücktritt, einen Freund von sich als Nachfolger vorschlug, zeigt, dass er nicht wirklich verstanden hat, worum es eigentlich geht. Und auch bei der Regierungspartei LDP gibt es bezüglich Gleichberechtigung noch Nachholbedarf. Die verkündete kürzlich, dass von nun an mehr Frauen an wichtigen Meetings teilnehmen können. Allerdings nur als Beobachter - sprechen dürfen sie nicht.
Um meinen Newsletter zu abonnieren, klicken Sie einfach auf den roten Button:
Um den Newsletter weiterzuempfehlen, klicken Sie hier:
Fragen, Anregungen, Kritik? Schreiben Sie mir: